TIPHAN
Lyrik
Gedichte, 2008 - 2014
Löwenzähnisch
schwirrt Eis schon in den Winden
Verwischbar sind die Tage,
zerlaufen mit mir.
Immer wieder, immer öfter
sinkt die Atmung der Bäume
auf die Knie.
Die Anbetung
hinter mir gelass‘ner Feuer
zieht sie nach und nach...
Ich bin Magnet im Herbst.
Schwebstoffartig richtet sich alles aus,
legt sich eisern an mich,
Einzig die Späne der Sonne
verblühen mein Schwer.
Da häkelte der Wind
in dein Haar
Wovon ich noch nicht wagte
ließ es mich träumen...
Ich sank vor dir,
konkurrierte mit deinen zarten
jugendlichen Wurzeln
Da stemmte der Morgen
deine Gestallt in den Tag
und friedsames Glück
schwor deinem Gesicht.
Wie viele Stunden sah ich
in deine Augen, wo du noch schliefst
Wie viele nicht?
Wie viele nie mehr.
Raue Tage I
Raue Tage
Nebelübertünchter Waldkranz
saugt Horizont aus
grauer Fläche.
Raue Tage
Haut- und fingersücht’ge Kälte
treibt ihr beißendes Geklirr
durch den Raum.
Raue Tage
Feldweg spröde, liegt still
in widersprüchlichen Erden,
bricht mit allen Zielen
und jenen die sie haben.
Raue Tage
Nur der kristall‘ne
Luftfürst der Kälte
spricht wie Hartgebranntes in
Manteltaschen,
nimmt Schluck für Schluck
die Zeit auf sich.
Raue Tage
Frieren; nur Toleranz.
Da draußen
blättert die Sonne ab
Wird es Nacht
Siehst du ihre Salzkörner
vibrieren
Sie streuen die Krypta deiner Freiheit
in die Ungewißheitssee
Da draußen
blättert die Sonne ab
Fieber im System
​
Lebemaschinen grüßen nicht
Lebemaschinen kennen einen nicht
Lebemaschinen sind durchgeplant
Lebemaschinen haben keine Zeit
Lebemaschinen machen Maschinenurlaub
auf Lebemaschineninseln
Ein ganzes Lebemaschinenleben
ist ein Individualgenerationsfaktor
Ein Lebemaschinenkind ist ein Lebemaschinenwartungsgutschein
Ein Lebemaschinenpensionist ist ein Beweis
Ein Künstler ist Lebemaschinenkulturentropie
Züge
An den Lichtern häng’ ich, wie Altmetall
Meine Poesie streitet mit einer Fahrkarte
die ich nicht besitze
Ich sehe Graffitis an Wänden und ich sinne zurück
bis Hieronymus Bosch
Diese Welt hat kein Ziel, sie sucht Verbündete
Sie ist auf der Flucht
Ich geh’ die Allee entlang die keine mehr ist,
nie eine war vielleicht, und bestaune herabgelebtes Laub
vor meinen Füßen.
Neben mir, da liegt ein Vogelmineral
Neben mir, da liegt ein Eis, geliebt
Mir sticht die Freiheit ins Blut, doch ins Herz trifft sie nicht
Im Herzen ist sie ein Bleiben
Und nun, da die Worte hier fallen und abblättern,
sind meine Schritte ein Kuß, der vergeht,
unterm Gesicht einer mondlosen Zeit,
über den Bauch der Ufer
Glitzernd sternt ein Guß
zu mir herauf.
Flackern
Musik die ich nicht kenne
Rinnt meinen Nacken hinunter.
Das Gefühl die Zeit zu verschlafen, in ihr zu zergehen
und meine Hoffnungen farbig,
schmierig aus mir herausschwimmen zu sehen,
erhängt sich an der fehlerhaften CD.
Sie schaltet eine Nummer weiter.
Ein Nachfalter umkreist skeptisch meine Zehen.
Mein Blick enttarnt ein ovales Flackern im Boden des Bierglases
Als selbstjagendes Gekreise des Ventilators an der Decke.
Sie wechselt die CD.
Der Nachtfalter hat die Windmühlen gewählt.
Niemandsland
​
Langsamer Duft
lichtete seine ätherischen Anker
Wir waren Eins
in allbekanntem Geständnis
Luft war uns überflüssig
Niemand sprach es aus
Im Ozean unserer Bedeutungen
absorbierte die Wirklichkeit
was sie notgedrungen brauchte,
zu schnell
Was uns blieb war nur das
Spüren ihres Zögerns
uns gegenüber
Verwaist
ein Feuer entfacht
Da erst sah ich, spürte ich
ein Allein-Sein
Doch dich zu löschen
würde uns alle erfrieren
Federleicht mein Ankern
Munchs Schrei
Ein Sog
Kubins Ansicht seiner selbst
Eine Umkehrung
Zwillinge im Schrecken
Moderne
Der einfachste Gedanke
spielt dir heute einen Streich.
Es ist ein Haus
und sein Eingang liegt gemütlich
innen in einer Ecke und grinst.
Ich öffne ein pantomimisches Fenster
und die Stimmen der Darstellung
flüstern etwas wie „Wirklichkeit“.
Wie?...Schiebefenster?....
Freispruchsbezogen
Vor dem Wahnsinn
sind alle gleich,
doch manche sind noch
befangener.
In der Freiheit
sind alle selig,
doch manche sind noch
verurteilter.
Und niemand geht hin,
Nur manche weit genug.
Vor dem Leben
sind alle Tod
Und alle waren früher
jemand anderes.
Transmotiva
Verständigung am Pool der Träume
Sprache schlägt verschlaf'ne Wellen
Von gekippten Türmen ein Ausblick,
rollt vorbei
und grüßt die löwenköpfigen Möwen.
Ein Lidschlag tanzt und teilt die Sinne.
Iris der Ängste,
totes entankertes Verspruchsmärchenrätsel.
Die Auskunft höllisch - überirdisch zugleich,
in Sätzen teleportiert -
schlummert und spendet die Täuschung
Die Netzhaut ein Brandherd,
Interieur der Sonnenfleckenmeere
Stummlichtübertragen
Museum der Ängste
Dort drüben freiliegend,
in stahlgelbem Grau: Die Monotonie.
Eine Göttin.
Ihr Gesichtsausdruck
und ihre Haltung verraten,
dass sie gerade gebärt.
Man ist sich nur nicht einig,
was genau.
Weiter hinten:
das jahrhunderte alte Schweigen,
bis heute nicht entziffert – entschlüsselt,
da die Zeit es langsam zerstört
und die Zeichen ständig verrückt.
Und dort, die Metapher
hinter Glas, freischwebend;
Ach nein, es ist ein hauchdünner Faden
an dem sie hängt,
gesponnen und getragen
von der Spinne der Geduld.
Im nächsten Raum:
Ein kühler Anblick.
Man fand ihn bei Grabungen
im Meer der Kindheit.
Die Legende sagt,
er drücke, wenn gerade niemand
in seine Richtung sieht
auch mal ein Auge zu.
Da weiter vorn -
Die mumifizierte Gestalt
einer ausgebliebenen Anerkennung.
Die gedrungene Haltung
in der das Wesen beigesetzt wurde
wird interpretiert, als Abkehr der Reife.
Als Grabbeigaben fand man Demütigungen,
Hoffnungslosigkeit und eine Schatulle.
Darin wurden vermutlich schlechte
Angewohnheiten aufbewahrt,
denn die Tote sollte über das Jenseits
hinaus stets wissen, wer sie ist,
vor allem im Falle, auf die Erfindung des Vertrauens
zu stoßen.
Hinter der Säule da
strahlt ein weißblauer Wille
in ebenso länglicher Form.
Fast ein Zylinderhologramm,
welches nach außen und innen
Blitze schickt.
Niemand weiß, bis heutenicht, wie es geschieht.
Man brauchte 26 Monate ihn
einzufangen und zu bändigen.
Auch wie dies zustande kam
ist nicht überliefert.
Man benennt ihn nach seinem Fundort
Und so heißt er schon immer
„Der Wille im Vorhinein“.
Um die Ecke – kontrastierend
ein Häufchen Elend.
Man weiß nach eingehenden Untersuchungen,
dass es sich hierbei um die
Überreste einer sprachlich
verdichteten Darstellung menschlichen
Entzugserscheinungspotentials handelt
und freigesetzt wurde,
als jener Mensch seine ganzheitlich positive
Anschauung über sich selbst auf eine epidemisch –
kollektive negative Sicht hypointrovertierter
Verhältnisse reduzierte.
Fundort, spezielle Lage, Windungszahl und
Windungsrichtung, sowie Steigungswinkel
und die emotional gravitative
Hüllenwirkung, lassen uns heute noch
Rückschlüsse ziehen, über die neurotisch,
narzisstische Ambivalenz;
die Abspaltung und Durchbrechung vergangener
sadistischer Zufriedenheitssysteme.
Auch dieses Museum wurde
erbaut, als unsere Träume
und die Liebe noch in Windeln lagen.
Vielleicht erinnern Sie sich ja daran.
Und wenn nicht, können Sie ja vorne beim Eingang
ein kleines Bildbändchen knüpfen.
Delphäno
Schale Welt im Untergang
Ich, vogelfrei mit einem Datum am Rücken
und einer Ahnung im Gesicht
Flügel - ihr immanentes Aufbegehren
Steigerung du Weigern am Sinken
und weigern und weigern...
Tote Welt im Aderlass
Ich, Dieb mit einer generierten Hürde im Raum
und einer löslichen Gewissheit aus Nichts
Schenken - du entrücktes Federkleid
Gleiten - du Sohle an allen Nasen,
allen Schnäbeln
Mein Vogelblut ist Wurm genug
Adamesker Schwingkreis
Die doppelte Erschaffung
Allein im Spiegel steht mein Licht
der falschen Winkel.
Schmuck und Zierde
fallen zurück in unausgereifte
Allüren der ersten Zeit.
Jetzt ist der Atem, vergangen ein Fleisch
Die Felder denen Vertreibung süßlich
zu Grunde liegt,
sie wogten nur einmal und tun
es noch.
Ichillustrierte Wechselkraft
Willkür der dichten Unerklärbarkeit
bis hin zum Ding erpresst.
Mitten, die allen Schwankungen folgen
und Begehrensreste kultisch
zu übermächt‘gen Gleichgewichten
formen.
Wichtigkeitsverlockend vermenschlicht
der Frageort verschwindender Prozesse
seine charakterlose Eigenschaft
Der noch Du sagt in vorsterblichen Hüllen.
Weißes Blut
Im Kadaver des Wohnbaren
Im blauen Laub
Nebelzebratanz
Gelb, gefaltet,
vor die Glut gespannt
In die nächtische Systole
geritten
Windsteinsonate
Trägt er Wissen in Gewändern
brechen sie ihr Schweigen,
wenn sie fallen.
Blutet er an samtnen Knochen
strömt es zum Palast,
wenn sie steigen.
Wägt er an den Ohren des Orakels
folgt es in Höhlenspur,
wenn er trägt.
Deutet er der Nackten Zeichen
sind sie ohne Wiederkehr,
wenn sie ziehen.
Ich glaubte den Nächten
ihre Lügenentzugserzählung
Ich misstraute der Tage Verdoppelung
Ich ging zu den Gräbern,
ihren Schlüsseln, den beweglichen
Ich fürchtete doch nur
was mich ihr Bruder sein ließ
Ich bin ein seltsamer Umriss
noch vor allem Gebrauch.
Stimmloses Sehnen,
oder doch nur
überbordener Wunsch
Oder Aspektesymmetrie
Kitsch der Eindeutigkeit
Der ach so erwachsene
Trotz
Der Laut der die Herzen
umgarnt
Der von Unsichtbarer Hand geführte
feine Pinsel, der den Schatten
ein weißes Grinsen aufmalt
Oder doch nur
das Gesichtslose Band
eines Willens,
klebrig am Konkav
gefallener Masken
Es ist ein Nachtlied geboren
und ich hab ihm geschworen
es zu singen
Es kam die Dunkle versöhnt
zu mir traurig verwöhnt
um zu dingen
Es wurde hell und erkoren
sprach ich ihre Sporen
in den Wind
Ich bin ein Asch'nes
ja ein fröhliches Kind
Skelettmacher
Im Schutz aller beigesetzten Moral
Heute, ohne Wogen
Ein fühlgerechtes eklektisches
Mittelalter des Verstehens
Von damals bin ich Einer
Bin ich einer der
die Nacktheit irden filtert
und sich der Gegenwart
noch mehr entblößt
Widersprüche feiern ihre
Konsequenzen
Ich bin Ihr Maskenball
Im Schutz
aller beigesetzten Moral
Mein Baum
Charisma aus tausend
erdumschlung'nen Zehen empor
Der Gesang deiner Blätter,
mir stets überlegen
Mein Herz schlägt an dich
wie du an den Donner
Legt der Winter auch seine Mäntel um dich;
Sie sind dein nächstes Jahr
An deine stolze Haut gelehnt
vergess ich jede
die ich wollte
Stereopard
Durch deine Herzensteppe,
Erstling des Raumes,
schreckt deine Schlangenhautschleppe
Das Ja-Wort vorm sand' nen Altar
der Ressentiments
Den letzten im Zimmer
küsst Monotonie